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Lange vor Facebook und eBay: Die Sorge um unser soziales Ansehen formt unser Verhalten

Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Feldstudie von Gianluca Grimalda, Andreas Pondorfer (beide am Kieler Institut für Weltwirtschaft) und David P. Tracer (Universität Colorado, Denver). Die Forscher überprüften ihre Thesen zum menschlichen Kooperationsverhalten im sozialen Umfeld der Teop in Papua-Neuguinea. Die Teop sind ein kleines Küstenvolk, das hauptsächlich von rudimentärem Ackerbau und Fischfang lebt. Sie leben in Dörfern, die kaum die Größe von einigen hundert Einwohnern überschreiten. Soziale Normen und Stammesbräuche bestimmen das Gemeinwesen der Teop. Diese ursprüngliche Art des Zusammenlebens unterscheidet sich deutlich von den heuti­gen westlichen Gesellschaften und ist daher besonders geeignet, um Evolutionstheorien zu menschlichen Verhaltensweisen zu überprüfen. Diese Studie gehört zu den ersten Feldstudien überhaupt, die soziales Ansehen und dessen Effekte auf das Kooperationsverhalten in ursprünglichen Gesellschaften untersuchen. Veröffentlicht wurde die Studie vor kurzem in „Nature Communications“.

Evolutionäre und ökonomische Theorien lassen erwarten, dass sich Menschen, wie andere Tiere, egoistisch und gewinnorientiert verhalten. Kooperation erfordert jedoch, das eigene Interesse zum Wohle der Gruppe zurückzustellen. Kooperatives Verhalten hätte demnach der natürlichen Selektion erliegen müssen. Dennoch wird menschliche Zusammenarbeit in allen Gesellschaften beobachtet – ein wissenschaftliches Rätsel, das es zu erklären gilt. Mehrere Theorien versuchen, die Evolution der menschlichen Kooperation zu erläutern. In der Teop-Studie haben sich die drei Forscher auf zwei der bekanntesten Theorien konzentriert: Die Sorge um das soziale Ansehen und die Neigung, abweichendes Verhalten zu bestrafen. Die erste Theorie bezieht sich auf den Wunsch, den guten Ruf als kooperatives Mitglied in der sozialen Gruppe aufrechtzuerhalten. Die andere Theorie beschreibt die Möglichkeit, Kooperationsnormen selbst geltend zu machen, indem einige Personen als „Ordnungshüter“ handeln und bereit sind, eigene Mittel zu opfern, um diejenigen zu bestrafen, die nicht kooperieren.

Wie relevant die Sorge um das soziale Ansehen ist, wurde bei den Teop durch die Präsenz des Stammesführers, eines sogenannten „Big Man“ getestet. In einigen Sitzungen des Experiments, konnte der „Big Man“ die Entscheidungen von Teilnehmern eines Kooperationsspiels, dem soge­nannten Gefangenendilemma, beobachten. „Big Men“ lösen soziale Konflikte und setzen soziale Normen in der Gemeinschaft durch. Sie stellen auch den Dreh- und Angelpunkt der sozialen Netzwerke dar. Dementsprechend bemühen sich die Dorfbewohner, ihren guten Ruf gegenüber dem „Big Man“ zu bewahren.

Die zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass die Sorge um das eigene soziale Image die Bereitschaft zu kooperieren stärker fördert als das Vorhandensein von Bestrafungsmechanismen. Interessanterweise haben „Big Men“, die nicht Teil der dörflichen Gemeinschaft sind, keinen positiven Einfluss auf das Kooperationsverhalten. Die Sorge um das eigene soziale Ansehen scheint daher lediglich innerhalb der eigenen sozialen Gruppe relevant zu sein. Insgesamt unterstützen diese Ergebnisse die These, dass die Sorge um das eigene soziale Image ein universaler Charakterzug der menschlichen Psychologie ist. Im Gegensatz dazu ist die Neigung zur Bestrafung nicht-kooperativen Verhal­tens, wie sie in einigen heutigen Gesellschaften zu beobachten ist, wahrscheinlich ein erst kürzlich entstandener Mechanismus in der menschlichen Evolution.

Zur kompletten Studie in Nature Communications