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China: Enorme Unsicherheit über die tatsächliche wirtschaftliche Lage

Die heute vorgestellten Zahlen zum chinesischen BIP sind mit Vorsicht zu betrachten. Alternative Indikatoren zeichnen ein deutlich düstereres Bild der konjunkturellen Lage als der offizielle BIP-Zuwachs von 6,9 Prozent, der auch genau dem von chinesischen Behörden ausgegebenen Expansionsziel von nahe 7 Prozent entspricht. „Widersprüchliche Signale machen es aber sehr schwierig, sich ein genaues Bild der Lage zu machen“, so Philipp Hauber, Konjunkturexperte am IfW, anlässlich der offiziellen Zahlen aus China.

Auf einen deutlich schwächeren BIP-Zuwachs deutet etwa der so genannte Keqiang-Index hin, der den Durchschnitt des Stromverbrauchs, der Kreditvergabe und der Schienenverkehrsvolumina abbildet, und als guter Indikator für die Entwicklung der (Schwer-)Industrie in China gilt. Dieser setzte seinen starken Rückgang fort und steht somit im Widerspruch zu den offiziellen Zahlen. „Der Keqiang-Index veranschaulicht die Probleme des Industriesektors, der mit Überkapazitäten und einer stark gestiegenen Schuldenlast zu kämpfen hat. Nicht ins Bild einer angeschlagenen Industrie passen jedoch Daten zu den Rohölimporten. Der amtlichen Zollstatistik zufolge, deren Zahlen gemeinhin als zuverlässig gelten, legten diese gegenüber dem Vorjahr um annähernd 8 Prozent zu“, so Hauber.

Der im Vergleich zur Industrie höhere BIP-Zuwachs könnte aber auch darauf hin deuten, dass die schwache Entwicklung des Verarbeitenden Gewerbes durch eine Belebung des Dienstleistungs­sektors zumindest teilweise kompensiert wird. Hauber: „Dieser Strukturwandel – weg von einer export- und investitionsgetriebenen Wirtschaft hin zu einer stärkeren Orientierung am Dienst­leistungssektor und dem privaten Verbrauch – wird ausdrücklich von der Regierung gewünscht. Fraglich ist, wie glatt dieser Übergang vonstatten geht. Die Turbulenzen an Chinas Börsen und die Unsicherheit bezüglich der Währungspolitik haben das Vertrauen in Chinas Behörden nicht gerade gestärkt“.

Insgesamt rechnet Hauber in China mit einer dauerhaften Wachstumsverlangsamung auf ungefähr 4 bis 5 Prozent, was für eine aufholende Volkswirtschaft sehr typisch wäre. Fraglich sei außerdem, ob es kurzfristig zu einem krisenhaften Konjunktureinbruch kommt, der die BIP-Zuwächse abrupt stark reduziert. Nach Modellsimulationen reduziert sich das Wirtschaftswachstum in der übrigen Welt um rund 0,5 Prozentpunkte, wenn sich Chinas Wirtschaftswachstum um 3 Prozentpunkte ver­ringert („harte Landung der Konjunktur“).

Für Deutschland hätte ein solcher Einbruch spürbare Auswirkungen. Zwar werden nur knapp 6 Prozent der Exporte (also etwa 3 Prozent des gesamten BIP) direkt nach China geliefert. Aber durch die dämpfenden Wirkungen auf die Konjunktur auch im Rest der Welt entstünden zusätz­liche Belastungen. Stark betroffen wären insbesondere der Maschinenbau und die Automobil­industrie, die zuvor von der Expansion in China besonders profitiert haben. „Viele deutsche Unter­nehmen müssten dann ihre Strategie überdenken und vermutlich Investitionspläne zurückneh­men“, so Hauber.

„Es ist aber zu erwarten, dass die Regierung mit konjunkturstützenden Maßnahmen einen Einbruch der Konjunktur verhindern wird, auch weil sie soziale Unruhen im Zusammenhang mit einer Rezession fürchtet“, so Hauber. „Dies geschieht bereits in Form von staatlichen Infrastruktur­programmen sowie Steuererleichterungen für Kleinwagen, die für eine Stabilisierung des Pkw-Marktes sorgen.“

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