Wirtschaftspolitischer Beitrag

Freierer Handel mit Joe Biden? Nein, nur die Mittel ändern sich

Cover Kiel Focus - Joe Biden on stage

Autor

  • Rolf J. Langhammer
Erscheinungsdatum

Was den Freihandel betrifft, ist im Fall einer Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten kein grundsätzlicher Kurswechsel zu erwarten. Auch er hat im Programm, die heimische Produktion von Gütern voranzutreiben. Der Trend, dass zum Beispiel deutsche Firmen mehr vor Ort in den USA produzieren, dürfte sich damit erneut verstärken.

Experte IfW Kiel

Durch die Geschichte der amerikanischen Präsidenten zieht sich bis Donald Trump ein roter Faden: Republikanische Präsidenten waren einem freien internationalen Handel und seinem Regelwerk  stets mehr zugetan als ihre demokratischen Kollegen. Donald Trump hat mit dieser Tradition gebrochen, und Joe Biden wird sie nicht umkehren. Bei allen Kontroversen verbindet beide ein Ziel: mehr Industrieproduktion in die USA zu attrahieren. Trump behindert mit Zöllen und anderen Maßnahmen ausländische Konkurrenten der heimischen Industrie, betreibt also klassische Importsubstitutionspolitik.

Auch Biden will die USA unabhängiger von Importen, insbesondere aus China machen. Schwerpunkt seiner Strategie ist es, mit Zuckerbrot und Peitsche heimische Unternehmen davon abzuhalten, Produktionsstufen ins Ausland zu verlagern. Das Zuckerbrot ist ein Programm von 400 Mrd. US-Dollar, das für den Kauf von in den USA produzierten Gütern und Dienstleistungen durch öffentliche Nachfrager verwendet werden soll. Die Peitsche sind Verschärfungen des öffentlichen Beschaffungswesens durch Abschaffung von Ausnahmen von „Buy American“-Vorschriften, restriktivere Ursprungsregeln, Vorschriften über den Transport von Waren auf Schiffen unter amerikanischer Flagge und nicht zuletzt die Verpflichtung von amerikanischen Unternehmen, erhaltene F&E-Subventionen zurückzuzahlen, wenn Produktionen anschließend ins Ausland verlagert werden. Er will auch darauf hinwirken, dass das WTO-Abkommen über öffentliches Beschaffungswesen (GPA), das nur einige der WTO-Mitglieder unterschrieben haben, darunter die USA, im Sinne amerikanischer Wünsche reformiert wird. Hier trifft sich Biden mit den Vorstellungen des Handelsbeauftragten von Donald Trump, Robert Lighthizer, der den Nutzen des GPA für die USA stets bezweifelt und den Ausstieg der USA aus diesem Abkommen ins Gespräch gebracht hat.

Für deutsche Unternehmen heißt dies, den bereits jetzt sichtbaren Trend fortsetzen zu müssen, die USA als Investitionsstandort im Vergleich zu anderen Gastländern künftig stärker zu gewichten. Dies gilt vor allem für den Automobilsektor, den Biden wie Trump zum Schlüsselsektor für den Wiederaufstieg des Verarbeitenden Sektors in den USA auserkoren hat. Bereits in zwei ersten Jahren der Trump-Regierung (2017 und 2018) stieg der Anteil der USA am Bestand der deutschen Auslandsinvestitionen im Automobilsektor gegenüber 2016 um mehr als 1,5 Prozentpunkte auf 14,6 Prozent (Grafik). Auch in den anderen Industrien des Verarbeitenden Sektors zeigt sich dieser Trend. Von 2008 bis 2018 stieg der Anteil der USA am Bestand aller deutschen Auslandsinvestitionen im gesamten Verarbeitenden Sektor von 22 Prozent auf 27 Prozent.

Grund zur Sorge um Aufträge aus den USA müssten nach Bidens Plänen vor allem die Anbieter von Produkten haben, die im Bieterverfahren von amerikanischen Ministerien vergeben werden. Biden beklagt, dass während der Regierungszeit von Trump beispielsweise das amerikanische Verteidigungsministerium von ausländischen Anbietern abhängig geworden sei. Seine „Buy American“-Pläne sieht er auch als Bestandteil zur Sicherung der nationalen Sicherheit ebenso wie das Zurückschneiden von internationalen Lieferketten, den Druck auf Partnerstaaten, die USA im Kampf gegen vermeintlich unfaire Handelspraktiken Chinas zu unterstützen, sowie eine CO2-Grenzabgabe auf Importe aus Staaten, die aus Sicht der USA ihre eingegangenen Klimaschutzverpflichtungen nicht einhalten.

Die deutsche Wirtschaft wird sich vor die Herausforderung gestellt sehen, dass die zwei wichtigsten Handelspartner außerhalb der EU, die USA (egal ob mit Biden oder mit Trump) und China, eine ähnliche Strategie fahren: Mehr sogenannte horizontale Investitionen in ihren Ländern zur Versorgung des Heimatmarktes sollen Direktexporte aus den Herkunftsländern ersetzen. Das „Springen über Zollmauern“ als wichtiges Motiv von Auslandsinvestitionen glaubte man vor vielen Jahren im Lichte des multilateralen Zollabbaus hinter sich gelassen zu haben. Nun heißt die Hürde „Produce Nationally to Sell Nationally“.

Bidens Plan mag sich sanfter als die Rhetorik von Trump lesen, zumal er sich, abgesehen von China, eher an die eigenen Produzenten als an die Handelspartner richtet. Aber es gehört nicht viel dazu, sich zu dieser Strategie eine Handelspolitik vorzustellen, die ausländischen Anbietern keine andere Wahl lässt, als Exporte in die USA durch Produktionen in den USA zu ersetzen. Kurzfristig mögen sich Investoren in einem so großen Markt wie den USA des Schutzes durch die Regierung wohlfühlen und Gewinne machen. Das lehrt die Wirtschaftsgeschichte von den frühen Phasen der Importsubstitution. Längerfristig zementiert ein solches Verhalten aber die Abhängigkeit von Regierungen, die diesen Schutz von vielerlei Auflagen zum vermeintlichen Schutz der Arbeiter und ihrer bestehenden Arbeitsplätze abhängig machen und damit den Strukturwandel behindern. Joe Bidens Plan steht eindeutig in dieser Tradition.


Coverfoto: © Kuhlmann/ MSC

In der Reihe Kiel Focus veröffentlicht das Institut für Weltwirtschaft Essays zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen für deren Inhalte die Autorinnen und Autoren alleine verantwortlich zeichnen. Die in den Essays abgeleiteten wirtschaftspolitischen Empfehlungen spiegeln nicht notwendigerweise die Empfehlungen des Instituts für Weltwirtschaft wider.

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