Wirtschaftspolitischer Beitrag

Zeitumstellung - Wem die Sonne scheint

Cover Kiel Focus "Daylight saving"

Autoren

  • Gabriel Felbermayr
  • Martin Braml
Erscheinungsdatum

Die EU will das Zeitumstellen abschaffen. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, ob man nicht überall die Weltuhrzeit (UTC) verwenden sollte. Dann erspa

Als Ergebnis einer EU-Bürgerbefragung soll das halbjährliche Uhrenumstellen im Jahr 2021 abgeschafft werden. Die Angelegenheit steht auch mustergültig für das Kompetenzgerangel zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten: Erstere ist nämlich für die Terminierung der Zeitumstellung verantwortlich, während Letztere die Zeitzone ihres Landes auswählen. So gibt es drei europäische Zeitzonen, die seit 1996 dank der EU zwischen Sommer- und Normalzeit wechseln. Nun rät die Kommission den Mitgliedsstaaten, sich zu koordinieren, um einen Flickenteppich an Zeitzonen zu vermeiden.

Doch die Frage ist, ob ein solcher Flickenteppich tatsächlich wirtschaftliche Kosten wegen auseinanderfallender Bürozeiten verursacht. Die Börse in Frankfurt öffnet um neun Uhr, ebenso wie andere wichtige Börsen in Kontinentaleuropa. Die Londoner Stock Exchange dagegen eröffnet den Handel bereits um acht Uhr ihrer Zeit. Dadurch ergibt sich trotz verschiedener Zeitzonen der gleiche Beginn.

Den Spaniern wird gern und nicht ohne Überheblichkeit vorgeworfen, auszuschlafen und abends lieber länger Sangria zu trinken. Dabei unterscheidet sich das Leben der Spanier nur scheinbar von unserem. Seit der Diktator Franco seine Verbundenheit mit Hitler durch Zeitumstellung zeigen wollte, gehen die spanischen Uhren nach mitteleuropäischer Zeit, obwohl Spanien geografisch in einer Zeitzone mit Portugal oder den Britischen Inseln liegt. Doch während deutsche Kinder ab acht Uhr Schule haben, starten spanische Kinder um neun. Gehen viele Deutsche zwischen zwölf und ein Uhr Mittag essen, tun dies Spanier eine Stunde später. Die Spanier haben ihre Lebensweise also nicht Francos Uhr angepasst, sondern leben einfach weiter, als ob sie in "ihrer" Zeitzone geblieben wären. Auf eine Formel gebracht: Sonne schlägt Franco.

Eine Vorliebe für die Sommerzeit ist Ausdruck dessen, dass man gern früher aufstehen will, um nach der Arbeit noch mehr Tageslicht zu sehen; aber dies ist auch vollkommen unabhängig von der Zeitzone möglich. In Berufen, in denen Angestellte flexible Arbeitszeiten haben, kann jeder in seiner "eigenen" Zeitzone leben und diese beliebig wechseln – quasi die Privatisierung der Zeit! Und ohne die Uhr umzustellen, könnten wir entscheiden, unsere Kinder im Sommer einfach eine Stunde früher in die Schule zu schicken und um acht die Börse zu öffnen.

Wie das Beispiel Spaniens zeigt, ist es langfristig vermutlich irrelevant, was die nominelle Zeitrechnung besagt. Es ist anzunehmen, dass die sich am Sonnenlicht orientierenden Lebensgewohnheiten den Tagesablauf viel mehr bestimmen als eine künstliche Zeitmessung. Entschiede sich Deutschland für einen Wechsel in die osteuropäische Zeitzone (permanente Sommerzeit), müssten bald als ehern geltende Zeitpunkte wie der Schulbeginn neu diskutiert werden.

Eine eindeutige Mehrheit in Deutschland präferiert übrigens die Sommerzeit; vielleicht würden die Deutschen eben doch gern ein bisschen so sein wie die Spanier. Sie sollten sich nicht täuschen: Dem Lauf der Sonne entkommt man nicht.

Es lohnt sich, darüber nachzudenken, ob man nicht überall die Weltuhrzeit (UTC), also die Greenwich-Normalzeit verwenden sollte. Dann ersparten wir uns das mühsame Umrechnen zwischen Zeitzonen. Außerdem wäre jeder Zeitpunkt unter Nennung von Datum und UTC-Uhrzeit global gültig. Aktuell bedarf es dafür der Nennung von Datum, Uhrzeit und Zeitzone. Der internationale Flugverkehr oder die Nato funktionieren schon so.

(Der Beitrag erschien am 28. März 2019 als Gastkommentar in der Wochenzeitschrift Die Zeit.)


Coverfoto: Chris Kinkel auf Pixabay

In der Reihe Kiel Focus veröffentlicht das Institut für Weltwirtschaft Essays zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen für deren Inhalte die Autorinnen und Autoren alleine verantwortlich zeichnen. Die in den Essays abgeleiteten wirtschaftspolitischen Empfehlungen spiegeln nicht notwendigerweise die Empfehlungen des Instituts für Weltwirtschaft wider.