Wirtschaftspolitischer Beitrag

Afrika: Es geht noch mehr

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Autor

  • Holger Görg
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Deutsche Unternehmen investieren wenig in Afrika. Damit werden viele Entwicklungsmöglichkeiten verpasst – auf beiden Seiten. Nötig wären sichere Rahmenbedingungen.

Experte IfW Kiel

Die Wirtschaft Afrikas ist wieder in den Schlagzeilen. Vor ein paar Tagen fand in Wien das EU-Afrika-Forum statt, in dem zu mehr europäischen Investitionen in Afrika aufgerufen wurde. Bereits im Oktober empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel afrikanische Regierungschefs zum Afrikagipfel in Berlin. Hauptfokus: die Ankurbelung privater ausländischer Investitionen – auch von deutscher Seite – in afrikanische Länder. Merkel hat für die jetzige Legislaturperiode eine Summe von bis zu einer Milliarde Euro zum Aufbau eines Investitionsfonds in Aussicht gestellt. Dieser soll das Ziel haben, die Risiken bei Investitionen in Afrika abzusichern. Doch solche Instrumente werden wohl nicht ausreichen, denn häufig fehlt es in Afrika an den grundlegenden Strukturen für Investitionen.

Trotz vieler guter Absichten ist die deutsche Bilanz, was Investitionen in Afrika angeht, bislang „mau“. Von rund 112 Milliarden Euro, die von deutschen Unternehmen 2017 im Ausland investiert wurden, gingen gerade einmal 0,5 Prozent nach Afrika – und dort hauptsächlich nach Südafrika, das Land mit der am besten entwickelten Wirtschaft auf dem Kontinent.

Das geringe Engagement ist aber keine Besonderheit deutscher Investoren. Insgesamt sind ausländische Direktinvestitionen auf dem afrikanischen Kontinent niedrig, und es hat in den vergangenen Jahrzehnten keinen nennenswerten Zuwachs gegeben. Es gehen gerade einmal rund 2,5 Prozent aller weltweiten Direktinvestitionen nach Afrika.

Damit verpasst der Kontinent viele Entwicklungsmöglichkeiten. Wirtschaftswissenschaftliche Studien zeigen klar, dass ausländische Investitionen ein großes Potenzial haben, um die Wirtschaft im Empfängerland anzukurbeln. Sie bringen wichtiges Kapital in das Land und schaffen Arbeitsplätze in neu gegründete Unternehmen.

Wichtiger sind jedoch die Transfereffekte, die durch solche Investitionen entstehen: Viele Studien zeigen, dass durch die Kooperation von einheimischen Betrieben mit multinationalen Unternehmen Wissen an die ersteren transferiert wird. Dieses Wissen betrifft beispielsweise die Modernisierung des Produktionsprozesses, Produktinnovationen, die Bereitstellung von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, der Transfer von Technologie sowie die gemeinsame Gestaltung von Produkten. Dies steigert die Produktivität und Innovationskraft in einheimischen Unternehmen, was sich wiederum positiv auf Beschäftigung und Löhne auswirkt. Durch solche Wissenstransfers können die Modernisierung und der Ausbau der einheimischen Wirtschaftstätigkeit gefördert werden. Eine stärkere Investitionstätigkeit ausländischer Unternehmen in Afrika könnte also dementsprechend als wichtige „Hilfe zur Selbsthilfe“ dienen – wenn sie denn nur stattfände.

Investoren brauchen Sicherheit. Geld sollte daher in stabilisierende Institutionen fließen.

Grundsätzlich bieten die Länder des afrikanischen Kontinents eine gute Voraussetzung für eine stärkere Investitionstätigkeit und damit einhergehend eine stärkere Integration in die Weltwirtschaft. Dafür spricht eine große und junge Bevölkerung, die mit der richtigen Ausbildung und technischen Fertigkeiten ausgestattet ein enormes Reservoir an Fachkräften bilden könnte. Auch die geografische Nähe zu Europa, das neben Asien der größte Handelspartner Afrikas ist, bietet einen zentralen Vorteil für investierende Unternehmen aus Europa.

Ein entscheidendes Problem, welches es zu überwinden gilt, ist eher wirtschaftspolitischer Natur: Für ausländische Investitionen ist entscheidend, dass die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegeben sind, um unvorhergesehene Risiken zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen. Gerade in afrikanischen Ländern sind jedoch häufig jene Institutionen schlecht entwickelt, die für diese sicheren und stabilen Rahmenbedingungen sorgen. So ist zum Beispiel Korruption ein ernst zu nehmendes Problem: Acht der zehn Länder mit dem höchsten Korruptionsindex von Transparency International befinden sich in Afrika. Das schreckt ausländische Investoren ab.

Ob die eine Milliarde Euro, die Kanzlerin Merkel für Investitionsgarantien in Aussicht gestellt hat, hier einen großen Unterschied machen wird, ist fraglich. Nach Informationen des Bundeswirtschaftsministeriums ist der Bund schon jetzt mit Investitionsgarantien in Milliardenhöhe in Afrika involviert. Trotzdem sind die Investitionen von deutschen Unternehmen gering. Dass diese durch eine weitere Milliarde, verteilt über die Legislaturperiode (sprich: drei Jahre), signifikant erhöht werden, ist eher unwahrscheinlich.

Um ausländische Investitionen nachhaltig anzukurbeln, bedarf es vielmehr einer allgemeinen Reform wirtschafts- und sozialpolitischer Rahmenbedingungen in afrikanischen Ländern, um die notwendigen Grundlagen zu schaffen. Institutionen müssen geschaffen werden, um Korruption zu bekämpfen und damit Investoren und Unternehmen Sicherheit zu gewährleisten. Der Aus- und Weiterbildungssektor benötigt weitreichende Investitionen, um die für eine Modernisierung der eigenen Wirtschaft notwendigen qualifizierten Arbeitskräfte zu schaffen.

Eine aktive und angemessene Investitionspolitik seitens afrikanischer Länder würde dazu beitragen, ein unternehmerfreundliches Klima zu schaffen und damit geeignete Investitionsquellen zu identifizieren und anzuziehen, welche die Wahrscheinlichkeit von Wissenstransfers und Modernisierung erhöhen. Nur dann besteht längerfristig die Möglichkeit, Investitionen aus dem Ausland zu bekommen, die nachhaltig die einheimische Wirtschaft beleben können und dadurch positiv zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in afrikanischen Ländern beitragen.

Die Entwicklungspolitik der Bundesregierung unterstützt auch heute schon Maßnahmen, die der Korruptionsbekämpfung und dem Ausbau der Bildung insbesondere in afrikanischen Ländern dienen. So wurden laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit 2016 rund 555 Millionen Euro in Bildungsmaßnahmen in Entwicklungsländern investiert. Anstatt Geld zur Risikoabsicherung zu geben, sollte man aber lieber solche Projekte unterstützen, die Institutionen und Bildung in afrikanischen Ländern stärken. Sobald sich in einem Land stabile Institutionen entwickeln, die die Risiken für Investoren senken, werden sich Unternehmen finden, die in diesen Ländern investieren wollen – auch ohne staatliche Absicherung.

(Der Kommentar erschien am 24.12.2018 in der Süddeutschen Zeitung.)


Coverfoto: © Dennis - Fotolia.com

In der Reihe Kiel Focus veröffentlicht das Institut für Weltwirtschaft Essays zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen für deren Inhalte die Autorinnen und Autoren alleine verantwortlich zeichnen. Die in den Essays abgeleiteten wirtschaftspolitischen Empfehlungen spiegeln nicht notwendigerweise die Empfehlungen des Instituts für Weltwirtschaft wider.

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