Wirtschaftspolitischer Beitrag

Protektionismus steht Deutschland nicht gut

Cover Kiel Focus harbor of Hamburg

Autor

  • Holger Görg
Erscheinungsdatum

Noch dieses Jahr soll es so weit sein: Die Bundesregierung will ihre Veto-Möglichkeiten beim Einstieg von Investoren aus Nicht-EU-Ländern in deutsche Unternehmen erweitern. Doch der Vorstoß, der vor allem auf chinesische Investoren abzielt, könnte ökonomisch nach hinten losgehen. Schon jetzt erweist sich Deutschland nicht als Spitze, wenn es um die Attraktivität für ausländische Investoren geht. Auf sie dürften die neuen Regeln eher abschreckend wirken, dabei täten solche Investoren dem Standort Deutschland gut.

Experte IfW Kiel

Noch dieses Jahr soll es so weit sein: Die Bundesregierung will ihre Veto-Möglichkeiten beim Einstieg von Investoren aus Nicht-EU-Ländern in deutsche Unternehmen erweitern. Doch der Vorstoß, der vor allem auf chinesische Investoren abzielt, könnte ökonomisch nach hinten losgehen. Schon jetzt erweist sich Deutschland nicht als Spitze, wenn es um die Attraktivität für ausländische Investoren geht. Auf sie dürften die neuen Regeln eher abschreckend wirken, dabei täten solche Investoren dem Standort Deutschland gut.

Der Bestand ausländischer Direktinvestitionen – also Investitionen ausländischer multinationaler Unternehmen – lag 2017 in Deutschland laut UN-Zahlen bei rund 931 Milliarden US-Dollar. Das hört sich viel an, entspricht aber gemessen an den weltweiten Direktinvestitionen nur knapp unter 3 Prozent. Damit erreicht Deutschland einen Wert wie die viel kleineren Volkswirtschaften der Niederlande, Irlands oder etwa Kanadas. Nach Großbritannien fließen dagegen rund 5 Prozent, nach China 8 Prozent und 25 Prozent (7,8 Billionen Dollar) in die USA.

Deutschland ist also für ausländische Konzerne nicht erste Adresse. Das hat viele Gründe: Lohn- und Lohnnebenkosten spielen eine Rolle, ebenso Steuersätze. Außerdem gibt es für Unternehmen aus benachbarten EU-Ländern keine Notwendigkeit, hier zu investieren, da sie problemlos exportieren und importieren können. Nicht zuletzt erschweren bürokratische Hürden das Engagement ausländischer Unternehmen. Im „Ease of doing business“-Ranking der Weltbank liegt Deutschland nur auf Platz 20, nicht nur hinter den USA, Großbritannien, Kanada und Irland, sondern z.B. auch hinter Neuseeland, Südkorea, Estland, Lettland und den skandinavischen Ländern.

Dabei sind ausländische Direktinvestitionen ein wichtiger Treibstoff für den Motor einer Volkswirtschaft. Sie bringen nicht nur zusätzliches Kapital, sondern tragen auch maßgeblich zum Produktivitätswachstum bei. So zeigt die moderne volkswirtschaftliche Forschung, basierend auf der Analyse von großen Datensätzen auf Unternehmensebene, dass das Engagement ausländischer Multis generell produktivitätssteigernd wirkt, da die Firmen neue Technologien mit ins Gastland bringen und diese dort einsetzen. Das führt dazu, dass sie im Durchschnitt produktiver sind als vergleichbare einheimische Unternehmen und zudem durch Wissenstransfers über unterschiedliche Kanäle auch das Produktivitätswachstum einheimischer Firmen ankurbeln. Nicht zuletzt zahlen sie meist höhere Löhne als vergleichbare lokale Wettbewerber. Das gilt nicht nur für Entwicklungs- und Schwellenländer, sondern auch für hochindustrialisierte Länder und selbst für die USA.

Deshalb sollte es gerade angesichts der anhaltenden Schwäche des Produktivitätswachstums in Deutschland für die Wirtschaftspolitik Priorität haben, die Attraktivität des „Standortes Deutschland“ für ausländische Unternehmen zu steigern.

Stattdessen will die Bundesregierung jetzt die Beteiligungsschwelle senken, ab der sie einen Einstieg von Nicht-EU-Investoren prüfen und untersagen kann. Zwar beträfe das zunächst nur relativ wenige Wirtschaftsbereiche und Investoren unmittelbar. Doch schon das Signal, dass nationale Interessen und Protektionismus Gewicht gewinnen, wird Deutschland in den Augen von Investoren weniger attraktiv erscheinen lassen. Verteidiger der neuen Regeln verweisen darauf, dass es nur um Fälle gehe, in denen die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ gefährdet ist – aber wie die Trump-Regierung ja vor kurzem bei der Einführung von Strafzöllen auf Stahl und Aluminium gezeigt hat, ist das ein dehnbares Konzept, das für protektionistische Maßnahmen missbraucht werden kann. So etwas schreckt Investoren ab.

In der öffentlichen Diskussion geht es bei diesem möglichen Veto augenscheinlich vor allem um Investitionen aus China. Chinesischen Investoren wird unterstellt, sie wollten nur neue Technologien im Gastland erlernen und diese dann nach China transferieren. Das mag in Einzelfällen zutreffen. Doch die im Durchschnitt – siehe oben – positiven Effekte aufs Gastland gelten auch für Investitionen aus China. Seien es neue Investitionsmöglichkeiten, die Erschließung neuer Märkte, neue Möglichkeiten der Finanzierung, neue Managementmethoden, Technologien oder andere Vorteile. Und nicht zu vergessen: Auch wenn deutsche Unternehmen zum Beispiel in den USA investieren kommt es zum Transfer von Technologien und Methoden ins Heimatland. Dies ist ein Zeichen der internationalen Verflechtungen der Wirtschaft, von denen gerade Deutschland in den letzten Jahrzehnten profitiert hat.

Wer als Land stolz auf seine Exportstärke ist, sollte nicht – gewollt oder ungewollt – Hürden für den Import ausländischen Kapitals aufstellen, indem es Investoren verschreckt.

(Leicht veränderte Fassung eines Gastkommentars, der am 04.10.2018 unter dem Titel „Deutschland muss ökonomisch offen bleiben“ im Handelsblatt erschienen ist.)


In der Reihe Kiel Focus veröffentlicht das Institut für Weltwirtschaft Essays zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen für deren Inhalte die Autorinnen und Autoren alleine verantwortlich zeichnen. Die in den Essays abgeleiteten wirtschaftspolitischen Empfehlungen spiegeln nicht notwendigerweise die Empfehlungen des Instituts für Weltwirtschaft wider.