Wirtschaftspolitischer Beitrag

Freihandel: Eine Frage von Strategie und Fairness

Kiel Focus Cover EU-USA Leaders' Meeting

Autor

  • Dennis J. Snower
Erscheinungsdatum

Die Übereinkunft von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit US-Präsident Donald Trump ist eine gute Nachricht: Die Eskalationsspirale im Handelskonflikt zwischen Europa und den USA ist zunächst gestoppt – und es besteht mittelfristig die Chance auf ein transatlantisches Handelsabkommen, mit dessen Hilfe Zölle und andere Handelshemmnisse beseitigt werden können. Der Weg zum weltweit freien Handel ist aber nur mit der richtigen Strategie zu schaffen. Außerdem muss Handel nicht nur frei, sondern auch fair sein, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden.

Experte IfW Kiel

Die Übereinkunft von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit US-Präsident Donald Trump ist eine gute Nachricht: Die Eskalationsspirale im Handelskonflikt zwischen Europa und den USA ist zunächst gestoppt – und es besteht mittelfristig die Chance auf ein transatlantisches Handelsabkommen, mit dessen Hilfe Zölle und andere Handelshemmnisse beseitigt werden können. Der Weg zum weltweit freien Handel ist aber nur mit der richtigen Strategie zu schaffen. Außerdem muss Handel nicht nur frei, sondern auch fair sein, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden.

Das Treffen zwischen Trump und Juncker gibt uns wichtige Einsichten über die Psychologie internationaler Handelsverhandlungen. Ob Trump eine Strategie verfolgt hat, wissen wir nicht. Wir wissen jedoch, dass seine republikanischen Anhänger zwei Überzeugungen teilen: Zum einen ist freier Handel für sie der richtige Weg. Und zum Zweiten, sollte dieser nicht erreichbar sein, wollen sie, dass die USA ihre Marktmacht durchsetzen und durch die Drohkulisse von Strafzöllen Zugeständnisse anderer Länder erzwingen.

Der EU bleibt dadurch nur die Wahl zwischen steigenden US-Zöllen – oder Verhandlungen in Richtung einer transatlantischen Freihandelszone. Die EU muss daher entscheiden, ob sie sich zu Vergeltungsschlägen gegen Trumps Zölle hinreißen lässt oder im Interesse der europäischen Gesellschaft verhandelt. Dies ist eine Frage der Verhandlungspsychologie.

Vergeltungsschläge führen wahrscheinlich zu einem Handelskrieg. Im Interesse der Gesellschaft jedoch müssten Zölle ohne Wenn und Aber abgeschafft werden und diejenigen, deren Jobs dadurch gefährdet werden, müssten großzügige Unterstützung bei Aus- und Weiterbildung bekommen, um den unumgänglichen Wandel in der nächsten Phase der Globalisierung gut zu bestehen. Der Grund liegt auf der Hand: Die meisten Produkte bestehen aus vielen intermediären Gütern und Dienstleistungen, die in vielen verschiedenen Ländern produziert werden. Protektionistische Maßnahmen behindern daher schlicht den Produktionsprozess und schaden somit auch der heimischen Wirtschaft – es ist, als würde man eine Wand innerhalb einer Fabrik aufstellen.

Angesichts dieser Tatsachen ist eine Senkung und langfristig eine vollständige Beseitigung von Zöllen seitens der EU die einzig sinnvolle Strategie. Macht Trump mit, haben beide Seiten einen Gewinn. Macht er einen Rückzieher, sollte die EU einseitig die Zölle senken – dann würde mehr Handel in die EU gelenkt, und Europa wäre der alleinige Gewinner.

Dass die EU durch eine Zollsenkung in jedem Fall auf der Gewinnerseite steht, bedeutet nicht, dass alle Marktteilnehmer von den niedrigeren Zöllen profitieren. Im internationalen Wettbewerb gibt es immer Gewinner und Verlierer. Dass es ineffiziente Produzenten gibt, die dem Wettbewerbsdruck nicht standhalten, ist aber kein Argument für protektionistische Eingriffe. Statt solche Marktteilnehmer durch Zölle zu beschützen, sollten europäische Staaten die Arbeitnehmer in den verlierenden Sektoren großzügig durch Beschäftigungs-, Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen unterstützen. Dadurch könnte eine Basis für zukünftige Wettbewerbsfähigkeit geschaffen werden. Statt Arbeitnehmer in ineffizienten Stellen zu halten, sollten sie unterstützt werden, Stellen in vielversprechenderen Sektoren zu finden. Die Debatte über Handel sollte sich daher nicht auf Vergeltung fokussieren, sondern auf Bildung und Ausbildung für die globalisierte Welt von morgen.

Freier internationaler Handel bedeutet allerdings auch, Wettbewerbsverzerrungen in Form von Subventionen zügig abzuschaffen und sicherzustellen, dass wesentliche Arbeits- und Umweltstandards beachtet werden. Hier ist die Welthandelsorganisation gefordert, die sich dringend reformieren und neue Regeln aufstellen muss. Denn derzeit ist es schwierig bis unmöglich, unfaire Subventionen zu identifizieren und zu beseitigen. Und auch Missstände bei Arbeitsbedingungen und Umweltschäden bekommen derzeit viel zu wenig Aufmerksamkeit.

Der von Donald Trump ausgelöste Tumult in der internationalen Handelspolitik könnte zu einem Vorstoß in Richtung Zollfreiheit und einer Reform der Welthandelsorganisation führen. Aber nur, wenn die Verhandlungspartner die richtige Strategie verfolgen, im Interesse der eigenen Bevölkerung. Denn nicht mithilfe von Vergeltung können wir unsere Zukunft sichern, sondern durch Bildung und Ausbildung für die kommende Phase der Globalisierung.

(Leicht geänderte Fassung eines Gastkommentares, der am 01.8.2018 unter dem Titel "Freihandel jetzt erneut wagen" in der Tageszeitung "Die Welt" werschienen ist.)

Coverfoto: © European Union 2017 - Source  Council of the EU

In der Reihe Kiel Focus veröffentlicht das Institut für Weltwirtschaft Essays zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen für deren Inhalte die Autorinnen und Autoren alleine verantwortlich zeichnen. Die in den Essays abgeleiteten wirtschaftspolitischen Empfehlungen spiegeln nicht notwendigerweise die Empfehlungen des Instituts für Weltwirtschaft wider.

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