Wirtschaftspolitischer Beitrag

Wie politisches Versagen Donald Trump groß gemacht hat

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Autor

  • Dennis J. Snower
Erscheinungsdatum

In Zeiten ökonomischer Umbrüche müssen Menschen ihre Fähigkeiten und Ziele anpassen. Dabei muss ihnen die Regierung helfen – doch die USA haben in

Experte IfW Kiel

Wer hat Donald Trump eigentlich gewählt? Zu dieser Frage wurden und werden nun diverse Analysen angestellt –  mit verblüffend einfachem Ergebnis: Es sind die Hoffnungslosen, die den Glauben an ihre Zukunft und die ihrer Kinder verloren haben. Sie haben ihre Arbeitsplätze verloren und finden keine neuen. Und Donald Trump ist ihr Idol, weil er verspricht, die verlorenen Jobs zurückzuholen.

Der Unmut dieser Menschen ist durchaus berechtigt – denn die amerikanische Regierung hat in der Vergangenheit wirklich wenig für sie getan: Eine Reintegration arbeitslos gewordener Menschen in den Arbeitsmarkt findet praktisch nicht statt, staatlich finanzierte Weiterbildungsmaßnahmen gibt es ebenso wenig wie einen funktionierenden Sozialstaat. Die Regierung gibt relativ wenig Geld für eine aktive Arbeitsmarktpolitik aus. Es ist vor diesem Hintergrund kein Wunder, dass Menschen, deren alte Jobs es aufgrund von Globalisierung und technischem Fortschritt nicht mehr gibt, zornig sind auf das politische Establishment.

Dass Trump überhaupt Kandidat einer der großen amerikanischen Volksparteien werden konnte, muss die US-Politik wachrütteln: Wir leben in Zeiten großer ökonomischer Umbrüche – im Zuge der Digitalisierung werden einige alte Jobs obsolet, neue entstehen. Das Problem dabei ist, dass sich die Rechenleistung von Computern nach dem Mooreschen Gesetz alle zwei Jahre verdoppelt und damit die Produktivität von Maschinen rasant steigt, während Menschen länger brauchen, um ihre Fähigkeiten und Ziele anzupassen. Es ist die Aufgabe der Regierung, ihnen dabei zu helfen – schließlich sind Regierungen dafür da, öffentliche Güter zur Verfügung zu stellen. In dieser Hinsicht hat die US-Regierung kolossal versagt.

Opportunistisch wie er ist, wußte Donald Trump dieses Versagen für seine Zwecke zu nutzen. Seine Unterstützer sind tendenziell weiß, gehören der Arbeiterklasse an und haben ein niedriges Bildungsniveau. Sie glauben, dass die Chinesen und andere ausländische Wettbewerber ihnen ihre Jobs wegnehmen – und Trump schürt dieses Vorurteil. Einer aktuellen Studie des Pew Research Center zufolge glauben 60 Prozent von Trumps Unterstützern, dass ausländische Wettbewerber ihrer finanziellen Situation geschadet hätten - obwohl viele klassische handwerkliche Tätigkeiten, etwa im Bausektor, überhaupt nicht von ausländischer Konkurrenz betroffen sind.

Auch das Trumps Unterstützer auf dem Arbeitsmarkt übermäßig unter der Konkurrenz von Einwanderern leiden würden, ist eine weit verbreitete Fehleinschätzung: Laut einer Pew-Studie stehen vielmehr jene Amerikaner, die etwa entlang der mexikanischen Grenze leben und damit überproportional von Einwanderung betroffen sind, Migranten positiver gegenüber als Amerikaner in anderen Landesteilen. Und, das kann man aus einer Gallup-Analyse von Jonathan Rothwell schlussfolgern: Sie stimmten nicht häufiger für Donald Trump – dessen Unterstützer stammen vielmehr aus weißen Enklaven, die von Einwanderung kaum betroffen sind. Die Angst vor Migranten kommt also vor allem daher, dass man sie nicht kennt – was Donald Trump herzlich egal ist, solange er die Angst in Stimmen für sich ummünzen kann.

Es ist vor allem die Angst vor dem sozialen Absturz, die Trump die Wähler zutreibt. Angst, die Trump mit Mythen und Vorurteilen zu befeuern weiß – aber gegen die sich etwas tun lässt. Das Problem sind nicht die von Trump ins Feld geführten Sündenböcke – die Chinesen und Mexikaner, die den hart arbeitenden Menschen ihre Jobs wegnehmen –, sondern das Problem ist die amerikanische Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Schlecht ausgebildete Arbeiter brauchen Weiterbildung – aber die US-Regierung tut jämmerlich wenig dafür. Laut einer OECD-Studie nimmt Amerika in dieser Hinsicht einen der hintersten Plätze ein – Finnland und Dänemark, die in dem Ranking ganz vorne stehen, geben im Verhältnis zu ihrem Bruttoinlandsprodukt zehn mal so viel für Weiterbildung aus wie die USA. In Deutschland ist es immerhin noch vier Mal so viel.

Es kann zwei Gründe geben, warum Menschen mit schlechten wirtschaftlichen Aussichten konfrontiert sind: mangelnden Einsatz – oder mangelnde Voraussetzungen. In den USA ist klar: Es ist Zweiteres – und dafür ist die Regierung verantwortlich. Denn wenn in Amerika der amerikanische Traum, sich durch eigene Anstrengungen sprichwörtlich vom Tellerwäscher zum Millionär hocharbeiten zu können, für immer größere Bevölkerungsschichten unerreichbar geworden ist, läuft etwas gründlich schief im System. Ohne einen grundlegenden Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik wird das Problem nicht verschwinden.

Amerika braucht ein Sozialsystem, das Hilfe zur Selbsthilfe anbietet – insbesondere auch durch Weiterbildung und eine aktive Arbeitsmarktpolitik. In dieser Hinsicht können die Amerikaner viel von Europa lernen. Wenn die neue US-Regierung das nicht versteht, wird die Menge der Wütenden weiter anschwellen – und sich schon bald ein neues Idol suchen.

 (Der Beitrag erschien leicht verändert als Gastkommentar unter dem Titel „Was Trump groß gemacht hat“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 7. November 2016.)