Nachhaltiger Subventionsabbau nur bei Fundamentalkorrektur der Finanzverfassung

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Autoren

  • Alfred Boss
  • Astrid Rosenschon
Erscheinungsdatum

Im Jahr 2011 lagen die Subventionen in der Kieler Abgrenzung mit knapp 167 Mrd. Euro um 19 Mrd. Euro über dem Niveau des Jahres 2000. Die Subventionen sind höher als das Aufkommen aus Lohnsteuer und veranlagter Einkommensteuer.

Experte IfW Kiel

Im Jahr 2011 lagen die Subventionen in der Kieler Abgrenzung mit knapp 167 Mrd. Euro um 19 Mrd. Euro über dem Niveau des Jahres 2000. Die Subventionen sind höher als das Aufkommen aus Lohnsteuer und veranlagter Einkommensteuer.

Von Subventionskürzungen ist in der politischen Debatte zwar häufig die Rede, zumal die volkswirtschaftliche Schädlichkeit von Subventionen unbestritten ist, umgesetzt werden nachhaltige Schnitte in die Subventionen jedoch nicht. Und wenn über Subventionskürzungen diskutiert wird, handelt es sich meist um den Abbau von Steuervergünstigungen, also um eine Aktion, die zu staatlichen Mehreinnahmen führen soll, die wiederum aller Erfahrung nach Mehrausgaben nach sich ziehen; ein Streichen von Finanzhilfen ist dagegen unbeliebt.

Als Strategie zur Subventionskürzung wurden in den Kieler Subventionsberichten schon öfter die Rasenmähermethode sowie ein Junktim zwischen Subventionsabbau und Steuersenkung vorgeschlagen, um eine Zustimmung der Bevölkerung zu erreichen und Widerstände zu mindern. Doch wird meist die selektive Methode erwogen – mit dem Ergebnis, dass jeder Betroffene eine Ausnahmen für sich reklamiert, die Politik zögert und kaum Finanzmasse bewegt wird. Letztlich wird das Thema Subventionsabbau zerredet.

Finanzverfassung als Hemmnis für Subventionsabbau: Die Herstellung eines Junktims zwischen Subventionskürzung und Steuersenkung wird allerdings durch unsere Finanzverfassung vereitelt. Länder und Gemeinden können ihre Attraktivität kaum durch niedrigere Steuersätze erhöhen, weil die Steuerpolitik zentralisiert ist. Neben dem Bundestag muss der Bundesrat zustimmen, sofern die Länder ertragsbeteiligt sind. Es ist mit dem Widerstand von Ländern zu rechnen, wenn der Bund im Zuge von Subventionskürzungen Steuern senken will.

Die Länder und Gemeinden, die einen hohen Anteil am Subventionsvolumen aufweisen, können im derzeitigen System kaum Subventionen herunterfahren. Bei Kürzungen der Finanzhilfen wirken teilweise die höheren Staatsebenen mit; der Bund und/oder die EU sind in die Entscheidungsprozesse einbezogen. Die Finanzautonomie der Länder ist durch zahlreiche Mischfinanzierungen beschnitten. Überdies stellt sich ein gravierendes Anreizproblem, das in die gleiche Richtung wirkt. Ein Land hat an einer Reduktion der Finanzhilfen kein oder nur ein begrenztes Interesse, wenn die EU oder der Bund diese Hilfen mitfinanzieren. Es lohnt sich nicht, Unterstützung von oben nicht zu beanspruchen; Konsolidierungsfortschritten durch Ausgabenkürzungen stehen die verlorenen Zuschüsse gegenüber.

Es besteht also wenig Aussicht auf Subventionsabbau, sofern nicht eine erweiterte Grundgesetznorm verankert wird, die vorschreibt, dass die Regelwerke der Staatswirtschaft so gestaltet werden müssen, dass sie dem Prinzip des nachhaltigen Wirtschaftens verpflichtet sind und der Mehrung des Wohlstandes dienen. Dies würde Systemkorrekturen in Richtung auf eine optimale Finanzverfassung auf die Sprünge helfen. In dieser würde Standortwettbewerb herrschen, der Subventionskürzungen und Steuersenkungen erzwingt. Es wäre im räumlichen Sinne der natürliche Verbund zwischen Mittelherkunft und Mittelverwendung stärker hergestellt als in einem System, in dem dieser Zusammenhang durchbrochen ist.

Gegenwärtig steht die Finanzverfassung wegen der Widerstände der drei Geberländer Bayern, Hessen und Baden-Württemberg auf dem Prüfstand. Diese Länder sollten erzwingen, dass über eine solche Grundgesetznorm abzustimmen ist. Für Opponenten wäre dies ein Lackmustest: Sie wären nämlich gezwungen, sich offen gegen die Verfolgung der Ziele des Wachstums und der Wohlfahrtsmehrung durch den Staat auszusprechen.

Was sind nun die Eckpfeiler einer ökonomisch effizienten Finanzverfassung als Garant für Standortwettbewerb?

Optimale Aufgabenzuteilung: Fundamental dafür ist das Subsidiaritätsprinzip. Es besagt, dass möglichst die unterste Ebene (Gebietskörperschaft) mit einer Aufgabe betraut wird. Bei einer solchen Zuteilung verblieben nur klassisch öffentliche Güter wie Sicherheit nach innen und außen beim Bund. Die übrigen Klubgüter würden von Ländern oder Gemeinden angeboten – je nach Nutzenradius. Das Angebot privater Güter – soweit bisher staatlich – sollte dem Markt überlassen bleiben.

Dezentralisierung ermöglicht Wettbewerb zwischen den nachgelagerten Gebietskörperschaften und bringt viele Vorteile. Erstens verhindert Dezentralisierung unnötige Wohlfahrtsverluste, zu denen es bei Zentralisierung in Verbindung mit der Anwendung des Mehrheitsprinzips im demokratischen Entscheidungsprozess kommt; denn Zentralisierung beinhaltet einheitliche Lösungen trotz unterschiedlicher Präferenzen der Menschen in den einzelnen Regionen.

Zweitens besteht bei Dezentralisierung Wettbewerb zwischen den Regionen und damit Wettbewerb zwischen Politikern und zwischen Behörden. Dies erhöht insofern die Effizienz, als der Steuerzahler abwandern kann. Der einzelne Bürger kann, wenn ihm der durch Mehrheitsentscheidung zustande gekommene finanzpolitische Kurs nicht zusagt, „mit den Füßen abstimmen“ und seinen Wohnsitz in jene Region verlegen, deren Angebot an öffentlichen Leistungen ihm im Verhältnis zur Steuerbelastung mehr zusagt.

Drittens kommt es im Wettbewerb der Regionen zu einem Effizienztest der jeweiligen Politiken und der betreffenden institutionellen Regelungen. Es können neue, überlegene Politiken entdeckt werden; es kommt dann zur Nachahmung des guten Beispiels.

Schließlich gibt Dezentralisierung dem einzelnen Wähler einen stärkeren Anreiz, sich über politische Fragen zu informieren, denn das Gewicht der Stimme eines einzelnen Bürgers ist in einer kleinen Gebietskörperschaft größer als in einer großen wie z.B. dem Zentralstaat. Je besser der Wähler informiert ist, desto schwerer ist es für die Interessengruppen, zusätzliche Staatsausgaben durchzusetzen oder Kürzungen derselben zu verhindern.

Koppelung von Aufgaben-, Ausgaben und Finanzierungskompetenz: Sind in einem föderalistischen Staatswesen die – wirklich öffentlichen – Aufgaben ökonomisch vernünftig zugeordnet, dann ist es sinnvoll, Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmekompetenz aneinander zu koppeln. Diejenige Ebene, die Entscheidungen über Ausgaben trifft, sollte für die Finanzierung verantwortlich sein.

Eine Mischfinanzierung staatlicher Aktivitäten, also die gemeinsame Finanzierung durch mehrere Ebenen (wie z.B. durch Bund und Länder oder durch Land und Gemeinden) ist nachteilig. Sie schafft Finanzierungsillusionen bei den beteiligten Entscheidungsebenen und führt zu überhöhten Ausgaben, weil nicht alle Kosten ins Kalkül einbezogen werden. Sie verzerrt zudem die Ausgabenstrukturen der Ebene, die Zuweisungen erhält, weil die übergeordnete Gebietskörperschaft nicht bei allen Ausgaben einen Teil der Belastung übernimmt. Hinzu kommen höhere Kosten der Planung, Entscheidungsfindung und Durchführung. Auch werden Verantwortlichkeiten verwischt und Kontrollen durch die Rechnungshöfe erschwert, wenn öffentliche Ausgaben gemeinsam finanziert werden. Bei Fehlentscheidungen ist es allzu leicht, die Verantwortung der auch beteiligten Instanz zuzuweisen; Rechnungshöfe stehen vor der Aufgabe, mehrere Haushalte wegen eines Problems prüfen zu müssen.

Steuerzuordnung: Die Befugnis zur Steuererhebung sollte nach klaren Grundsätzen geregelt sein. Sind die Zuständigkeiten der Regionen für bestimmte Aufgaben abgegrenzt, so sollte ein Trennsystem realisiert werden. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass jede staatliche Ebene hinsichtlich der Besteuerungsbefugnisse innerhalb der ihr zugewiesenen Steuern autonom ist. Es gibt eine Einschränkung der Autonomie nur dadurch, dass beispielsweise der Zentralstaat eine Steuer nicht erheben darf, wenn die betreffende Steuerart den Ländern bzw. den Gemeinden zugewiesen ist.

Es stellt sich in einem Trennsystem die Frage, welcher Ebene welche Steuern zugeordnet werden sollen. Bei einer Autonomie im skizzierten Sinne erweist es sich als vorteilhaft, die Besteuerungsrechte so zu verteilen, dass die am stärksten unter Konkurrenzdruck stehenden Gebietskörperschaften, also die Gemeinden, über Steuern (wie z.B. die Einkommensteuer) verfügen dürfen, die bei fehlender Konkurrenz zwischen den Gebietskörperschaften zu übermäßiger Besteuerung der Bevölkerung genutzt werden könnten; bei Wettbewerb könnte die Bevölkerung auf diese Steuern mit Zu- oder Abwanderung reagieren. Dem nicht (oder international nur begrenzt) durch Konkurrenz gezügelten Zentralstaat sollten die wenig ertragskräftigen Steuern zustehen wie z.B. die Steuern auf den mengenmäßigen Verbrauch bestimmter Güter (Tabak, Alkohol); dann sind dem Leviathan enge Grenzen gesetzt.

Gegner einer optimalen Finanzverfassung werden einwenden, in Art. 91a GG sei das Ziel des räumlichen Ausgleichs verankert, was Standortwettbewerb im Wege stehe. In einer grundlegend reformierten Finanzverfassung muss ein solches Postulat – ursprünglich war es als Kann-Bestimmung intendiert – aber keineswegs als Fremdkörper gelten. Denn durch die neue Grundgesetznorm, die den Staat auf die Ziele des Wachstums und der Wohlfahrtsmehrung verpflichtet, könnte der Ausgleich mit weniger Anreizproblemen auf Geber- und Nehmerseite erfolgen. Zu denken wäre an eine Regelung, bei der Geberländer mitbestimmen dürfen, für welche Zwecke regionale Transfers einzusetzen sind. Das wären wohl i.d.R. investive Verwendungen, die das Wachstum fördern und durch die weitere Hilfszahlungen begrenzt würden.

(Die Subventionszahlen stammen aus: C.-F. Laaser und A. Rosenschon (2013), Subventionen in den Jahren 2000 bis 2011/2012: Der Kieler Subventionsbericht. Kieler Diskussionsbeiträge 516/517, Kiel; die Ausführungen zur Finanzverfassung sind gekürzt entnommen: A. Boss und A. Rosenschon (2000), Subventionen in Baden-Württemberg – Bestandsaufnahme, Bewertung und wirtschaftspolitische Folgerungen. Forschungsprojekt im Auftrag der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart, Stuttgart.)
Vollständige Studie / Anhang zur Studie

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