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Repräsentative Corona-Tests zur Eindämmung der Unsicherheit notwendig
„Die Wirtschaftspolitik muss in Zeiten einer Pandemie eng mit den gesundheitspolitischen Erfordernissen verzahnt sein. Beide Politikbereiche können nur evidenzbasiert in Einklang gebracht werden. Hierfür sind Breitentests ein Instrument, das wir jetzt dringend brauchen“, sagte IfW-Präsident Gabriel Felbermayr. Um die bestehende Unsicherheit deutlich zu reduzieren, schlägt das IfW Kiel vor, in hoher Frequenz (alle fünf Tage) eine für die Gesamtbevölkerung repräsentative Stichprobe auf eine Corona-Infektion zu testen. Die bislang mutmaßlich geringe Durchseuchung legt einen Stichprobenumfang von 10.000 Personen nahe, um aussagefähige Ergebnisse zu erhalten. Auf Basis der ermittelten Werte lassen sich dann erstmals verlässlichere Aussagen über Morbiditäts- und Mortalitätsraten ableiten. Bislang werden nur sehr spezielle Bevölkerungsgruppen getestet, so dass Rückschlüsse auf die Gesamtbevölkerung unmöglich sind. Die Werte schwanken im internationalen Vergleich erheblich, was darauf zurückzuführen sein dürfte, dass je nach Land ganz unterschiedliche Personengruppen getestet werden. Dies erschwert die Evaluation von Abwehrmaßnahmen erheblich und verhindert auch, dass Länder voneinander lernen. Daher empfiehlt das IfW Kiel, diese Tests in allen EU-Mitgliedsländern durchzuführen.
Unsicherheit ist in der Corona-Krise ein erhebliches ökonomisches Problem, weil der Verlauf der Pandemie schwer zu prognostizieren ist und daher auch Dauer und Umfang der Abwehrmaßnahmen unklar bleiben. Hierbei spielen die Höhe und der Verlauf der Infektionsrate eine bedeutende Rolle. Je weniger sicher man den Anteil der infizierten Menschen in der Bevölkerung kennt, desto umfangreicher müssen vorbeugende Maßnahmen ausfallen, um das Risiko eines überlasteten Gesundheitswesens einzudämmen. Damit steigen die Kosten durch entgangene Produktionstätigkeit. Zudem wird den Unternehmen die Planung ihrer Betriebsprozesse erschwert, was die Wirtschaftsleistung zusätzlich belastet. Insbesondere führt hohe Unsicherheit über die Dynamik der Pandemie dazu, dass der Exit aus der gegenwärtigen Shutdown-Strategie tendenziell zu weit in die Zukunft verschoben werden muss. Erfolgen einschneidende Maßnahmen auf der Grundlage eines systematischen Infektionsscreenings, wird zugleich auch abwegigen und politisch destabilisierenden Narrativen im Nachgang der Pandemie vorgebeugt.
IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths: „Licht am Ende des Tunnels wirkt stabilisierend auf die Konjunktur, grassierende Ungewissheit ist hingegen Gift für die gesamtwirtschaftliche Stabilität. Sobald aus dem bedrohlichen Phantom ein berechenbares Phänomen geworden ist, kann auch die Erholung der Produktionsprozesse einsetzen.“
Die vorgeschlagenen Breitentests dienen nicht primär der Seuchenbekämpfung im engeren Sinne (Isolation von Infizierten), sondern sollen Auskunft über den Gesamtverlauf geben, um zu verhindern, dass zu wenig oder zu viel zur Eindämmung der Gesundheitskrise unternommen wird. Daher kommt es nicht auf die Einzelfallgenauigkeit der Tests an, sondern auf einen im Durchschnitt guten Schätzwert. Aus diesem Grund können auch einfache Antikörpertests ausreichend sein, die die Testkapazität der Labore schonen. Sollten dennoch Engpässe bei Testkapazitäten auftreten, stehen die Breitentests in Konkurrenz zu medizinisch erforderlichen Individualtests, die im Konfliktfall Vorrang haben müssen.
Alles, was Unsicherheit für die ökonomischen Akteure abbaut, hilft. Je schneller erkennbar wird, wie lange die gegenwärtigen Notmaßnahmen noch aufrechterhalten werden müssen, desto leichter wird es Unternehmen und Banken fallen, adäquate Überbrückungspläne zu entwickeln und auch staatliche Unterstützungen sachgerecht abzurufen.
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Auch das IPE Institut für Politikevaluation in Frankfurt spricht sich für den Einsatz repräsentativer Test aus. Mehr dazu hier.