Statement

Coronakrise: "Regeln vorgeben, Kleinstregulierung vermeiden"

Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel), kommentiert die Beschlüsse von Bund und Ländern zur Lockerung der Pandemie-Regelungen:

„Aus ökonomischer Sicht schaffen die Beschlüsse keine nennenswerte Erleichterung, sie zögern den Start einer durchgreifenden Erholung eher noch hinaus. Die spezifischen Einzelvorschriften etwa für bestimmte Branchen oder Ladengrößen bremsen Unternehmen aus, die selbst am besten Lösungen entwickeln können, um unter Beachtung des Gesundheitsschutzes ihr Geschäft fortzusetzen. Vorgaben, wonach kleine Geschäfte gegenüber großen privilegiert werden sollen oder unterschiedliche Branchen unterschiedlichen Regeln unterworfen werden, sollten vermieden werden. Sie führen zu Diskriminierung, zu Klagen, und sie sind wirtschaftlich ineffizient, weil sie kreative Lösungen der Unternehmen abwürgen. Besser wäre es, klare und transparente Regeln des Gesundheitsschutzes vorzugeben, wie etwa Mindestabstände oder Zugangskontrollen. Dann sollte es kleinen wie großen Unternehmen überlassen werden, wie sie ihr Geschäft unter diesen Regeln und unter behördlicher Kontrolle gestalten.

Es geht in die richtige Richtung, dass die Bundesländer zumindest in Teilen unterschiedlich vorgehen können. Das Beharren auf einem bundeseinheitlichen Vorgehen mag zwar die Kommunikation von Regeln vereinfachen, lässt aber wesentliche Vorteile regionaler Regelungen ungenutzt: Diese erlauben nämlich, voneinander zu lernen, reduzieren das Gesamtrisiko einer Fehlsteuerung und werden der regional unterschiedlichen Ausbreitung des Virus gerecht.

Verbraucher und Unternehmen müssen besser als bislang nachvollziehen können, an welchen Indikatoren zur Virus-Verbreitung die Politik ihre Entscheidungen ausrichtet. Das gibt Konsumenten und Produzenten mehr Sicherheit und ermöglicht ihnen eine vorausschauende Planung. Das ist vor allem für die Reisebranche mit ihren hohen Vorlaufzeiten von großer Bedeutung.

Für die ökonomische Bewertung ist wichtig, dass die behördlichen Auflagen direkt nur einen relativ kleinen Teil der Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft betreffen. Der deutlich größere Schaden entsteht durch indirekte Effekte wie ausbleibende Auslandsnachfrage, fehlende Arbeitskräfte, unterbrochene nationale und internationale Lieferketten oder die grassierende Unsicherheit. Hier kann die Politik nur indirekt Einfluss nehmen, indem sie etwa den Grenzverkehr von Waren reibungslos laufen lässt, die Betreuung von Schulkindern sicherstellt und sich für eine internationale Koordination von gesundheits- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen einsetzt.“